Einführung in Siteswap

Mark Probst
http://www.complang.tuwien.ac.at/schani/






Einleitung

Dieser Artikel gibt eine kurze Einführung in ``Siteswap''. Siteswap ist ein System zur Beschreibung von Jongliermustern. Es beschreibt jedoch nicht alle Aspekte eines Musters, sondern lediglich die Abfolge und die (relativen) Höhen der Würfe.

Wir beschränken uns auf ``Vanilla'' Siteswap, das im Gegensatz zu ``Extended'' Siteswap nicht die Beschreibung von synchronen Würfen und Multiplexing ermöglicht.

Eine Einführung in Extended Siteswap gibt Dancey [2]. Genaue Abhandlungen über Siteswap und andere Notationen bieten Beever [1] und Polster [4].

Siteswap ist unabhänging von der Art der Jonglierrequisiten. Im Folgenden sprechen wir daher von ``Objekten'', nicht von Bällen, Keulen, oder Ringen.

Das Grundprinzip

Wir betrachten nur Muster, in denen die Hände abwechselnd und gleichmäßig werfen. Die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Würfen bezeichnen wir als ``Takt''.

Beispiel: 3 Objekt Kaskade. Der Abstand zwischen zwei aufeinanderfolgenden Würfen ein und desselben Objekts ist immer 3 Takte.

Abbildung 1 zeigt ein ``Leiter-Diagramm'' der 3 Objekt Kaskade. Die Punkte auf der linken Seite stellen die Zeitpunkte der Würfe der linken Hand, die auf der rechten Seite die der rechten Hand dar. Die Zeit verläuft von oben nach unten. Die Linien versinnbildlichen die Würfe. Die beiden dicken Linien zeigen die ``Bahn'' eines Objekts von der rechten Hand in die linke und wieder zurück in die rechte Hand.

Wir benennen einen Wurf mit der Anzahl der Takte zwischen diesem Wurf und dem nächsten Wurf des selben Objekts. In der 3 Objekt Kaskade ist daher jeder Wurf eine 3.



Figure 1: 3 Objekt Kaskade

Es ist durch Zählen der Takte leicht ersichtlich, daß ein Wurf mit einer ungeraden Zahl immer von einer Hand zur anderen wechselt, wohingegen ein gerader Wurf immer von der Wurfhand gefangen wird. Abbildung 2 illustriert dies anhand der 4 Objekt Fountain. Jeder Wurf in diesem Muster ist eine 4.



Figure 2: 4 Objekt Fountain

1 und 2

Die 1 ist eine schnelle Übergabe des Objekts zwischen den Händen und wird fast horizontal geworfen, wie etwa im Shower.

Die 2 überbrückt die Zeit zwischen zwei Würfen mit einer Hand und wird üblicherweise nicht geworfen. Eine 2 ist also nur das Halten eines Objekts für zwei Takte.

Komplexere Muster

Durch Aneinanderreihung verschiedener Würfe lassen sich Muster konstruieren, die komplexer als die Grundmuster Kaskade und Fountain sind.

Beispiel: 515151··· beschreibt den (asynchronen) 3 Objekt Shower.

Üblicherweise schreibt man für sich wiederholende Muster nur einen Durchgang, versteht also das Muster als beliebige Wiederholung ein und derselben Wurfsequenz. Den oben erwähnten Shower schreibt man also als 51, die 3 Objekt Kaskade einfach als 3.

Die Anzahl der Objekte in einem Muster erhält man durch Errechnen des Durchschnitts der Würfe.

Beispiel: 744 ist ein Muster für (7+4+4)/3=5 Objekte.

Achtung: Nicht jede Ziffernfolge ist ein gültiger Siteswap!

Beispiel: 513 ist kein Siteswap, kann also nicht jongliert werden, 531 jedoch schon.

Übergänge

Es ist möglich, zwischen beliebigen Siteswaps mit der selben Anzahl von Objekten zu wechseln. In manchen Fällen ist das direkt möglich, in anderen müssen mehr oder weniger lange Zwischensequenzen geworfen werden.

Beispiel: Zwischen 3 und 441 kann direkt gewechselt werden, während von 3 nach 51 z.B. mit 4, und umgekehrt z.B. mit 2 übergeleitet werden muß.

Muster, die keine Überleitung benötigen, lassen sich offensichtlich beliebig mischen.

Beispiel: ···33334413333···

Null

Mit 0 bezeichnet man einen ``Wurf'' mit einer leeren Hand, also Inaktivität.

Beispiel: 40 ist Zwei in einer Hand, wobei die andere Hand leer ist (befände sich in der anderen Hand ein Objekt wäre das Muster 42). 55500 ist ein 3 Objekt Flash.

Wurfhöhen

Abbildungen 1 und 2 stellen Muster so dar, als würden die Objekte sofort nach dem Fangen wieder geworfen werden. In der Praxis gibt es dazwischen eine gewisse Haltezeit (dwell time). Abbildung 3 stellt die 3 Objekt Kaskade mit Haltezeit dar.



Figure 3: 3 Objekt Kaskade mit Haltezeit

Nimmt man für die Haltezeit einen Takt an, ergibt sich, daß ein Objekt für einen Wurf mit Zahl n für n-1 Takte in der Luft bleibt. Da die Wurfhöhe proportional zum Quadrat der Flugzeit ist, ergibt sich dadurch eine relative Wurfhöhe von (n-1)2.

Beispiel: Das Verhältnis der Höhen von 3 und 4 sollte in etwa (3-1)2=4 zu (4-1)2=9 sein. Eine 3 sollte also ungefähr knapp halb so hoch geworfen werden wie eine 4.

Siteswap Animatoren

Es ist in der Praxis oft nicht ganz einfach, sich fuer einem Siteswap das daraus entstehende Jongliermuster ``vorzustellen''. Um diesem Problem abzuhelfen, gibt es Siteswap Animatoren. Das sind sind Computerprogramme die bei Eingabe eines Siteswap eine Animation des Musters darstellen, sprich die das Muster ``vorjonglieren''. Eines der besseren Programme dieser Art ist Juggling Lab [3].

Ein paar 3 Objekt Siteswaps

Zum Üben hier einige 3 Objekt Siteswaps, ungefähr nach aufsteigendem Schwierigkteitsgrad sortiert: 441, 5241, 55500 (Flash), 55050 (Snake), 612 (asynchrone Box), 51414, 504, 531, 63141

Ein kurzes Video mit diesen Siteswaps gibt es auf meiner Homepage [5].

References

[1]
Benjamin Beever. Guide to Juggling Patterns. http://www.jugglingdb.com/articles/index.php?id=33.

[2]
Charlie Dancey. Encyclopædia of Ball Juggling. Butterfingers, second edition, 1997.

[3]
Juggling Lab. http://jugglinglab.sourceforge.net/.

[4]
Burkard Polster. The Mathematics of Juggling. Springer, 2003.

[5]
Mark Probst. Simple 3 ball siteswaps. http://www.complang.tuwien.ac.at/schani/jugglevids/simple3b.mpg.

This document was translated from LATEX by HEVEA.